Gildensozialismus

Gildensozialismus
Gildensozialismus,
 
englisch Guild Socialism [gɪld 'səʊʃəlɪzəm], in Großbritannien entstandene, dem Syndikalismus nahe stehende Lehre von der praktischen Verwirklichung des Sozialismus; sie versuchte, sozialistische Politik von den Gewerkschaften her auf inner- und überbetriebliche Ebene zu betreiben. Im Gegensatz zur Fabian Society hielt der Gildensozialismus am Klassenkampfgedanken fest; statt Verstaatlichung erstrebte er jedoch eine der englischen Überlieferung angemessene Form industrieller Selbstverwaltung: Die Erwerbstätigen der einzelnen Industriezweige sollen in Gilden, d. h. in Produktionsgemeinschaften (auf nationaler Ebene), in denen die Zunftverfassung erneuert werden soll, organisiert werden. Als Organisation der Konsumenten solle der Staat durch seine Steuerpolitik die Preis- und Lohnpolitik der Gilden regulieren.
 
Das »Guilds Restoration Movement« (gegründet 1906) vertrat zuerst die Idee des Gildensozialismus. Die 1915 gegründete »National Guilds League« gewann - obwohl sie nur wenige Mitglieder zählte (u. a. R. H. Tawney, B. Russell) - bald Einfluss auf die britische Gewerkschaftsbewegung. Haupttheoretiker war G. D. H. Cole (* 1889, ✝ 1959). Nachdem ein Versuch, den Gildensozialismus in nationalen Bauarbeitergilden zu verwirklichen, gescheitert war, löste sich die Liga 1925 auf, doch wirkt ihr Gedankengut in der britischen Labour Party fort, im Besonderen in Gestalt der Mitkontrolle der Arbeiterschaft und der Teilnahme an der Verwaltung der Industrien. Manches davon wurde im Zuge der 1946 beginnenden Sozialisierung großer Industriezweige verwirklicht.
 
Außerhalb Großbritanniens wirkten die Ideen des Gildensozialismus v. a. auf die sozialistischen Bewegungen der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland und Österreich. Ihre Spuren sind in den Vorschlägen der Sozialisierungskommissionen nachzuweisen.
 
 
G. D. H. Cole: Guild socialism re-stated (London 1920, Nachdr. Nendeln 1969);
 G. D. H. Cole: History of socialist thought, Bd. 2-4 (Neuausg. London 1965-74).

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Gịl|den|so|zi|a|lis|mus, der [engl. guild socialism, aus: guild = Gilde (< mniederl., mniederd. gilde, ↑Gilde) u. socialism = Sozialismus]: (Anfang des 20. Jh.s in Großbritannien entstandene) sozialistische Theorie, Lehre, Bewegung, die das Ziel hatte, die Wirtschaft in kollektivistische, nicht verstaatlichte, den mittelalterlichen Gilden u. Zünften ähnliche Organisationen zu überführen, wobei die industrielle Selbstverwaltung durch die Gewerkschaften übernommen werden sollte.

Universal-Lexikon. 2012.

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